Housing Emergency Bolzano

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Seit letztem Herbst sind wir als Bozen Fiorisce aktiv. Wir sind eine Gruppe engagierter Menschen aus Zivilgesellschaft, Initiativen und Wissenschaft. Unser Ziel: die Stadt Bozen gerechter, nachhaltiger und lebenswerter gestalten. Schnell kristallisierten sich die drängendsten Themen heraus – eines davon ist bezahlbares Wohnen.

Wir haben festgestellt: In diesem Bereich gibt es bereits viel Wissen, viele Ideen und Initiativen. Doch oft fehlt die Verbindung zwischen den einzelnen Punkten, den verschiedenen Gruppen und den Menschen, die von der Wohnungsnot betroffen sind. Genau hier wollten wir ansetzen – mit einem Workshop, der zuhört, verbindet und Handlungsräume aufzeigt.

Warum Wohnen in Bozen ein Problem ist

Bezahlbarer Wohnraum wird in Bozen immer knapper – und das spüren die Menschen deutlich. Fast die Hälfte aller Haushalte empfindet die Wohnkosten als „schwer“ oder „sehr schwer“ tragbar. Bei Mieter*innen sind es sogar noch mehr. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt liegt der Wohnkostendruck in Bozen um 11 % höher.

Besonders hart trifft es jene, die ohnehin weniger Spielraum haben: 45 % der Alleinerziehenden gelten als armutsgefährdet. Auch junge Menschen sind betroffen – jede*r fünfte Studierende verzichtet auf einen Studienplatz in Bozen, weil die Mieten schlicht zu hoch sind.

Die Preise sprechen für sich: Wer eine Wohnung kaufen möchte, zahlt im Schnitt rund 5.000 € pro Quadratmeter. Mieten bewegen sich zwischen 12 und 15 € pro Quadratmeter im Monat. Damit ist Bozen seit Jahren die teuerste Stadt Italiens.

Bozen Fiorisce Housing Emergency Bolzano Poster
Bozen Fiorisce Housing Emergency Bolzano Poster

Dabei gäbe es eigentlich genug Wohnungen: Auf 107.227 Einwohner*innen kommen 52.476 Wohnungen.

Doch 4.273 davon stehen leer – oft aus Spekulationsgründen oder wegen fehlender Instandhaltung. Nur etwa ein Fünftel aller Wohnungen wird klassisch vermietet. Auch der öffentliche Wohnbau stagniert: Zwar betreibt das WOBI 6.484 Wohnungen, doch viele sind unterbelegt oder nicht genutzt und seit mehr als einem Jahrzehnt wurde nichts neugebaut.

Hinzu kommt der Blick nach vorn: Der demografische Wandel und das Bevölkerungswachstum verschärfen die Lage weiter. Laut ASTAT werden in den nächsten zehn Jahren 6.000 bis 8.000 zusätzliche Wohnungen gebraucht.

Bozen Fiorisce Housing Emergency Bolzano Poster
Bozen Fiorisce Housing Emergency Bolzano Poster

Die Folgen sind gravierend: Wohnen wird zum sozialen Risiko. Wer keine bezahlbare Wohnung findet, verliert nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Sicherheit, Heimat und Teilhabe. Gesundheit, Chancen und Integration hängen unmittelbar davon ab, ob Menschen ein Zuhause haben, das sie sich leisten können.

Leistbarer Wohnraum ist keine Marktfrage – er ist eine Frage der Gerechtigkeit. In Bozen zeigt sich diese Ungerechtigkeit besonders deutlich: Familien, Studierende, Zugezogene oder langjährige Bewohner*innen suchen vergeblich nach passenden Wohnungen, während die Preise weiter steigen und geeigneter Wohnraum leersteht.

Unser Workshop

Um die drängenden Fragen des Wohnens nicht nur abstrakt zu diskutieren, sondern gemeinsam nach Lösungen zu suchen, haben wir am 26. August 2025 zu einem Workshop eingeladen. Im Movimento universitario altoatesino (MUA) versammelten sich über 30 Menschen – eine bunte Mischung queer durch Altersgruppen, Geschlechter und Erfahrungswelten. Mit dabei waren Betroffene, Initiativen, NGOs, Vertreter*innen aus Wissenschaft und Stadtplanung. Alle brachten unterschiedliche Perspektiven mit, die sich im Austausch gegenseitig ergänzten und bereicherten.

BozenFiorisce HousingEmergency Workshop

Unser Ziel war klar: zuhören, verbinden und gemeinsam neue Handlungsräume aufzeigen. Dafür hatten wir den Raum vorbereitet – mit Booklet, Plakaten und offenen Fragen, die gleich zu Beginn im Raum standen: Warum ist bezahlbares Wohnen in Bozen so knapp? Und was kann die Zivilgesellschaft konkret tun, um daran etwas zu ändern?

Impulse aus Wissenschaft und Praxis

Vier Inputs gaben den Auftakt und lieferten wichtige Denkanstöße:

BozenFiorisce HousingEmergency Workshop

Fishbowl-Diskussion

Anschließend probierten wir ein lebendiges Format: die Fishbowl-Diskussion. Ein kleiner Kreis diskutiert, während die anderen zuhören – wer etwas beitragen möchte, nimmt Platz in der Mitte. So entstand ein dynamischer Dialog, der zeigte: Probleme und Lösungen sind vielfältig, und nur im offenen Austausch lassen sich gemeinsame Perspektiven entwickeln

BozenFiorisce HousingEmergency Workshop

Ergebnisse aus den Kleingruppen

In der zweiten Phase arbeiteten die Teilnehmer*innen in Kleingruppen weiter und entwickelten konkrete Ideen:

  1. Sichtbarkeit & Sensibilisierung: Aktionen, Plakate, Fotoaktionen, um die Wohnungsnot öffentlich zu machen.
  2. Gemeinschaftliches Wohnen & Generationenprojekte: Bestehende Gebäude sollen für Projekte genutzt werden, in denen Jung und Alt zusammenleben.
  3. Sanieren statt Abreißen: Leerstehende Gebäude erhalten und nachhaltig nutzen.

Am Ende des Tages war klar: erste Handlungsfelder sind benannt, Netzwerke geknüpft, Ideen für konkrete Projekte liegen vor.

BozenFiorisce HousingEmergency Workshop
BozenFiorisce HousingEmergency Workshop

Kreative Gedanken

BozenFiorisce HousingEmergency Gedicht

Wohnen in Bozen
Dafür brauchst ’nen Lotsen
zu teuer, zu klein
als armes Sch….
ist wohnen hier nicht fein.
Mehr Gemeinsinn
und weniger Unternehmergewinn.
Auch mehr Kompromiss
zusammen Wohnen
statt Single-WGs, was ist Mist.
Teilen tat sich lohnen
und so kreieren wir gemeinsam
ein Bozen, wo sich wohnen tut lohnen.

Wie es weitergeht: Das Gemeindeentwicklungsprogramm

Seit Dezember 2024 arbeiten Expert*innen am Gemeindeentwicklungsprogramm der Stadt Bozen. Dies ist eine Art strategischen Fahrplan für die Stadtentwicklung der nächsten zehn Jahre. Ziel ist es, das städtische Wachstum mit gesellschaftlichem Zusammenleben, Mobilität und Umweltschutz in Einklang zu bringen. Die Erstellung eines solchen Programms ist gesetzlich vorgeschrieben.

  • Koordiniert wird das Programm vom Ingenieurbüro MATE Engineering, gemeinsam mit Partnern wie Eurac Research und Stefano Boeri Architetti.
  • Auf städtischer Seite ist die Abteilung Raumplanung & Entwicklung unter der Leitung von Paolo Bellenzier verantwortlich.

Dieses Programm ist ein zentraler Hebel, um langfristig bezahlbares, nachhaltiges und gemeinschaftsorientiertes Wohnen in Bozen zu sichern.

Auf unsere Einladung zum Workshop erschien Wolfram Sparber (Eurac Research) nicht, und Paolo Bellenzier lehnte eine Teilnahme kategorisch ab. Genau deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns als Zivilgesellschaft in diesen Prozess einbringen – mit klaren Forderungen, konkreten Ideen und dem Druck vieler Stimmen.

Im Herbst soll die Bürger*innenbeteiligung starten. Wir sehen darin die Chance, endlich die Lücke zwischen Papier und Realität zu schließen.

Danke!

Danke an alle, die diskutiert, organisiert, Räume geöffnet, Ideen geteilt und einfach mitgemacht haben. Ohne euch wäre der Workshop nicht möglich gewesen.

Lasst uns dranbleiben – gemeinsam können wir Bozen zu einer Stadt machen, in der Wohnen für alle möglich ist.

Mit freundlicher Unterstützung:

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