Ein Einblick in die Tagung vom 14. Februar 2025 an der Freien Universität Bozen, organisiert vom Klimaclub Südtirol, Heimatpflegeverband, Dachverband für Natur- und Umweltschutz und Kompetenzzentrum für ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Freien Universität Bozen
Die Tagung verdeutlichte, wie eng wissenschaftliche Erkenntnisse, rechtliche Rahmenbedingungen und ökonomische Aspekte beim Klimaschutz verzahnt sind. Klimaklagen – ob von Privatpersonen, Organisationen oder auch Staaten – erhöhen den Druck auf Regierungen und Unternehmen, ihre Klimaziele nicht nur zu formulieren, sondern konsequent umzusetzen. Auch in Südtirol gibt es bereits erste Erfahrungen: Rechtsverfahren zeigen, dass Klimaschutz-Argumente oft an formalen Hürden scheitern, solange klare gesetzliche Grundlagen fehlen.
Überblick über die Beiträge
Thomas Egger vom Klimaclub Südtirol begrüßte die Teilnehmenden, und Thomas Benedikter vom Heimatpflegeverband moderierte den Austausch, der in einer angeregten Diskussion mündete. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Recht und Wirtschaft stellten aktuelle Fälle vor, um zu veranschaulichen, wie Klimaklagen weltweit funktionieren und wann sie zum entscheidenden Hebel werden können.
Prof. Georg Kaser (Universität Innsbruck)
Er ist Leitautor von IPCC Berichten und verdeutlichte, wie eindeutig die Datenlage zum Klimawandel ist und weshalb Klimaklagen an Bedeutung gewinnen.
„Der Klimawandel ist wissenschaftlich eindeutig belegt“
Historische Temperaturaufzeichnungen und der aktuelle IPCC-Bericht zeigen, dass die globale Erwärmung vor allem durch menschliche Treibhausgasemissionen verursacht wird. Interne Variabilitäten oder natürliche Zyklen spielen eine Rolle, reichen aber nicht aus, um den drastischen Temperaturanstieg zu erklären.
„Emission Gap: Wir steuern zu langsam gegen“
Die Kluft zwischen den bisher zugesagten Emissionsminderungen und den realen Notwendigkeiten, um unter 1,5 oder 2 Grad Celsius zu bleiben, ist noch immer alarmierend groß. Das Konzept der Shared Socio-Economic Pathways (SSP) hilft dabei, verschiedene Zukunftsszenarien abzubilden.
„Klimaklagen erhöhen Druck auf Politik und Wirtschaft“
Eine staatliche Politik, die hinter den Zielen zurückbleibt, kann durch Gerichtsverfahren in Bewegung geraten. Beispiele aus Europa zeigen, dass erfolgreiche Klagen Regierungen zu stärkeren Reduktionen verpflichten.
Dr. Chiara Tea Antoniazzi (Universität Trient)
Sie erläuterte, welche völker- und menschenrechtlichen Grundlagen Klimaklagen stützen und wie hochrangige Gerichte dazu beitragen, Klimaschutz rechtlich zu verankern.
„Menschenrechte im Zentrum des Klimastreits“
Die Klimakrise gefährdet grundlegende Rechte wie Leben, Gesundheit und Wohnraum. Immer mehr Betroffene stützen sich auf internationale Menschenrechtsabkommen, um ambitioniertere Klimapolitik einzufordern.
„Das Pariser Abkommen ist ein Wendepunkt – jedoch oft zu unverbindlich“
Im Gegensatz zum Kyoto-Protokoll setzten die Länder sich ihre Ziele selbst (Bottom-up-Ansatz). Diese Freiwilligkeit sichert zwar eine breite Beteiligung, führt aber zu schwächeren Verpflichtungen und lässt Raum für Gerichtsverfahren, die mehr Verbindlichkeit fordern.
„Gerichte als Motor der Klimapolitik“
Verfahren wie jenes der Klimaseniorinnen in der Schweiz oder Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zeigen, dass internationale Organe zunehmend bereit sind, Staaten für unzureichende Klimaschutzmaßnahmen haftbar zu machen.
Prof. Esther Happacher (Universität Innsbruck)
Sie legte dar, wie sich das italienische Verfassungsrecht in Sachen Umweltschutz entwickelte und welche Lücken es beim Klimaschutz noch gibt.
„Die italienische Verfassung schützt Umwelt und Biodiversität explizit erst seit 2022“
Artikel 9 wurde erweitert, sodass nun nicht nur Landschaft, sondern auch Umwelt, Biodiversität und Ökosysteme im Interesse zukünftiger Generationen Verfassungsrang haben. Wie weit dieser Schutz in der Praxis greift, ist aber offen.
„Künftige Generationen: Verfassungsziel, aber schwierige Rechtsdurchsetzung“
Die Verfassungsreform betont ausdrücklich die Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen. Rechtlich lässt sich daraus dennoch nicht ohne Weiteres eine einklagbare Pflicht für Politik und Verwaltung ableiten.
„Fehlende Klimagesetze erschweren Urteile zu Gunsten des Klimaschutzes“
Ohne klare Gesetze bleibt Gerichten oft nur, auf andere Rechtsgüter auszuweichen oder Verfahren aus formalen Gründen abzuweisen. Erst wenn Klimaschutz klar normiert ist, können sich Bürgerinnen und Organisationen direkt darauf berufen.
Prof. Elisabeth Gsottbauer (Universität Bozen)
Sie beleuchtete ökonomische Zusammenhänge und erklärte, warum Unternehmen zunehmend von Klimaklagen betroffen sind – und wie sie reagieren können.
„Unternehmen als wesentliche Emissionsquelle“
Ein großer Teil der globalen Emissionen entfällt auf wenige Konzerne. Damit rücken sie stärker in den Fokus klagender Umweltverbände und Aktivist*innen.
„Finanzielle Risiken durch verlorene Verfahren“
Studien zu Ölkonzernen zeigen, dass ein negatives Gerichtsurteil den Börsenwert senken kann. Für große Emittenten kann dies Millionenverluste bedeuten und setzt sie ökonomisch unter Druck, Emissionen zu senken.
„Mehr Transparenz und klimafreundliches Handeln mindern das Klagerisiko“
Unternehmen, die konkrete Ziele definieren, Emissionsdaten offenlegen und unabhängig überprüfen lassen, stärken ihr Image. Sie verringern zugleich das Risiko, wegen Greenwashing verklagt zu werden.
RA Dr. Ulrike Vent
Klimaklagen in Südtirol.
„Vom Landschaftsschutz zum Klimaschutz”
Ulrike Vent erläuterte, dass in Südtirol Klima oft nur „indirekt“ verhandelt wird. Man klagt zum Beispiel gegen ein Bauprojekt wegen Landschaftszerstörung, obwohl dahinter auch klimapolitische Motivation steht.
„Prozessuale Stolpersteine
In vielen Verfahren scheitert man an der grundsätzlichen Frage, ob ein Verein oder eine Privatperson klagebefugt ist. Wenn der Staat keinen klaren Klimaschutzauftrag festschreibt, fallen die rechtlichen Hürden umso höher aus.
„Steigende Bedeutung von Gerichtsurteilen”
Vent betonte, dass jeder Fall, in dem Umweltbelange gestärkt werden, indirekt den Klimaschutz voranbringt. Ob Photovoltaik-Ausbau oder Ski-Gebietserweiterung: Sobald Gerichte sich mit Emissionsauswirkungen befassen, steigt die Sensibilität in Politik und Verwaltung.
RA Dr. Rudi Benedikter
Fallentscheidungen als Wegbereiter.
„Prominente Beispiele in Südtirol”
Rudi Benedikter blickte zurück auf Verfahren wie das gestoppte Ski-Projekt „Ortler Ronda“ oder die Photovoltaik-Konflikte in Bozen und Bruneck. Viele dieser Urteile konnten sich auf Lücken in der Umweltverträglichkeitsprüfung stützen oder auf unzureichende Projektunterlagen – ein praktischer „Hebel“, um klimapolitische Aspekte einzuklagen.
„Chancen und Grenzen des Verfahrensrechts”
Südtirols Gerichte greifen klimabezogene Argumente durchaus auf, stoßen aber an Grenzen, wenn kein spezielles Klimagesetz existiert. Meist müssen Landschafts- oder Naturschutzbestimmungen herhalten, um den Emissionsausstoß zu reduzieren oder Projekte zu verhindern.
„Klimaschutz ins Autonomiestatut?”
Eine Kernidee Benedikters: Würde Südtirol den Klimaschutz explizit ins Autonomiestatut heben, könnte man eine solide Grundlage für konsequente Gerichtsverfahren schaffen. Solange dem Klima nur über Umwege Geltung verschafft wird, bleiben viele Verfahren in Einzelfalllogik stecken.
RA Dr. Alex Telser
Ein Plädoyer für echte Gesetze.
„Klimaplan ohne Biss”
Alex Telser machte anhand eines Falls zum Torfabbau deutlich, dass Südtirols Klimaplan bislang nur eine politische Absichtserklärung ist. Ein Unternehmen konnte nicht allein durch Verweis auf den Plan gestoppt werden, weil diesem die gesetzliche Verbindlichkeit fehlt.
„Die Lehren aus der Luftreinhaltepolitik”
Im Gegensatz dazu gelingt es im Bereich Luftqualität bereits, Grenzwerte gerichtlich einzufordern. Telser nannte Beispiele, in denen Behörden zu konkreten Schutzmaßnahmen gezwungen wurden, nachdem Umweltverbände erfolgreich klagten. Genau solche einklagbaren Grenzen fehle dem Klimaschutz.
„Einstieg in eine wirksamere Gesetzgebung”
Telser betonte, dass Klimaklagen in ihrer Wirkung oft verpuffen, wenn die Rechtsgrundlage zu vage ist. Ein Landesklimagesetz könnte klare Ziele vorgeben und Verwaltungsbehörden verpflichten, Pläne und Projekte am Klimaschutz auszurichten. Diese Eckpfeiler wären für Gerichte ein starker Anhaltspunkt, um Klagenden Recht zu geben und klimaschädliche Vorhaben zu stoppen.
Resümee
Die Tagung zeigte eindrücklich, wie sich Wissenschaft, Recht und Ökonomie beim Klimathema verschränken. Immer mehr Staaten, Städte und Unternehmen werden von Gerichten zur Rechenschaft gezogen, wenn sie Klimaschutz versäumen. Urteile zu Klimaklagen können dazu beitragen, dass Klimaziele eingehalten aber auch gesetzliche Verpflichtungen geschaffen werden. Jedoch gibt es Grenzen: Gerichte setzen bestehendes Recht durch und können den Klimaschutz stärken, wenn Gesetze oder Grundrechte verletzt werden – sie sind jedoch keine politischen Akteure, die selbst Klimaschutzmaßnahmen entwickeln oder umsetzen. Dafür sind die Gesetzgeber verantwortlich und in Südtirol wurde bisher kein Rahmengesetz für Klimaschutz verabschiedet.
Es wurde im Rahmen der Tagung erneut an Beispielen aufgezeigt, dass Südtirol den Klimazielen nicht gerecht wird, da der Klimaplan keinerlei Verbindlichkeit besitzt und daher rechtlich nicht durchsetzbar ist. Ein klarer Rechtsrahmen für den Klimaschutz fehlt, deshalb setzen wir uns gemeinsam mit starken Partnerorganisationen dafür ein: Lies hier über die Kampagne zum Landesklimagesetz.